THOMAE-Gastbeitrag: Kompromiss beim Familiennachzug erweist sich als völlig ungeeignet
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Die in dieser Woche anstehende Debatte im Deutschen Bundestag zur Neuregelung des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter wird die Diskussion um den Umgang Deutschlands mit Menschen, die bei uns Schutz suchen, neu entfachen. Unter Betrachtung der Ereignisse in der Bremer Außenstelle des BAMF, in der Asylanträge ohne rechtliche Voraussetzungen positiv beschieden wurden, scheint sich die Flüchtlingspolitik zum persönlichen BER des Bundesinnenministers Seehofer aufzuschaukeln.
So wird in dem Gerangel von Union und SPD inzwischen jeder noch so kleine Teilschritt als großer Erfolg verkauft. Jüngstes Beispiel ist der Kompromiss beim monatelangen Streit um den mittlerweile zum Symbolthema aufgewerteten Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter, wonach ab August 1.000 Angehörige pro Monat nachgeholt und nicht genutzte Kontingente in den ersten fünf Monaten übertragen werden können.
Wer die koalitionsinterne Debatte darüber verfolgt hat, ob es sich nun um 1.000 pro Monat oder doch eher 12.000 pro Jahr handeln soll, wird sich nur schwer mit der Begründung des Gesetzentwurfs anfreunden können, der die Kontingentierung aus humanitären Gründen zu rechtfertigen versucht.
Die Koalition macht mit ihrer perfiden Kontingentierung der Humanität Flüchtlinge zur Ware, die an Umschlagplätzen mit dem Ziel der Gewinnoptimierung gehandelt werden. Wer aber nur den Frachtraum eines Flugzeugs im Visier hat, vergisst die Sitzplätze – und um die geht es eigentlich.
Konsequenterweise folgt aus der Festlegung von maximal 1.000 nachzugsberechtigten Personen gleichzeitig eine Bewertung der individuellen Betroffenheit, mit der die Rangfolge angeordnet wird. Wenn Union und SPD aber den Familiennachzug für Menschen ohne Bleibeperspektive per se ermöglichen, fordert die Humanität auch deren unverzügliche Umsetzung ohne nachträgliche Einschränkungen. Insofern erweist sich der Vorschlag als völlig ungeeignetes Mittel.
Ein Perspektivwechsel hilft, das Dilemma aufzulösen. Nicht das Los oder die Wartenummer dürfen über die Familienzusammenführung entscheiden, sondern eine exakte Härtefallprüfung, bei der die Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist völlig unerheblich, ob sich der Härtefall in dem Familienmitglied hierzulande oder in der nachzugsberechtigten Person begründet, beispielsweise wenn sich die humanitäre Lage vor Ort massiv verschlechtert und eine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben droht. Ebenso wenig lässt sich die Familienzusammenführung für Konstellationen versagen, in denen die die Person, zu der der Zuzug erfolgen soll, für die Angehörigen selbst sorgen kann.
Bedauerlicherweise hat die Union diese Aspekte, die sich auch in dem Gesetzentwurf der Fraktion der Freien Demokraten zum Familiennachzug wiederfinden, nicht aufgegriffen und treibt stattdessen als Wolf im Schafspelz die SPD unter dem Deckmantel der Humanität dazu, eine Obergrenze zu zementieren.